Alte Genüsse

Dass Obst und Gemüse zu einer gesunden Ernährung dazu gehören, wissen die allermeisten Menschen. Aber für viele ist Gemüse fast gleichbedeutend mit Möhren, Erbsen und Kartoffeln – eben jenen Früchten, die es in mehr oder weniger gleichbleibender Qualität das ganze Jahr über zu kaufen gibt. Auch beim Obst ist es nicht viel anders: Äpfel und Bananen bestimmen ganzjährig das Angebot. Aber wann bekommt man schon mal Quitten oder Kochbirnen zu kaufen? Und wann gibt es außer Cox Orange und Braeburn auch einmal Äpfel namens Goldparmäne oder graue Renette?

Im Herbst ist das anders. Da kommen viele Obst- und Gemüsesorten in den Handel, die nicht ganzjährig verfügbar sind, sondern aus der Region stammen und teils nur kurze Zeit Saison haben, wie Pastinaken, Topinambur, Stielmus, Schwarzwurzeln, Steckrüben und viele andere.

Manche Sorten sind aber auch mehr oder weniger aus den Regalen verschwunden, etwa weil sie den heutigen Gewohnheiten nicht mehr entsprechen –  so zum Beispiel das Einkochobst, das roh nicht genießbar ist: Quitten schmecken ungekocht nicht, dafür eignen sie sich hervorragend für die Herstellung von Gelee oder Kompott. Oder Obst, das sich nur kurz lagern lässt, wie z. B. Reineclauden – sie werden schnell unansehnlich, dafür sind sie davor besonders süß und aromatisch.

Ein anderes Beispiel sind Pastinaken: Bis vor 300 Jahren waren sie die Gemüsesorte, die in Deutschland am meisten angebaut wurde. Heute dagegen ist die Pastinake als Gemüse fast in Vergessenheit geraten, dabei ist sie reich an Vitaminen und Mineralstoffen. Aber die sehr lange Reifezeit von sieben Monaten hat dazu geführt, dass sie von Kartoffeln und Karotten verdrängt wurde. Vielen alten Obst- und Gemüsesorten geht es ähnlich: Sie werden aus Gründen des Großanbaus und    -‍handels kaum mehr gezogen, weil Händler und Erzeuger an hohen Erträgen und guter Lagerfähigkeit mehr interessiert sind als an geschmacklicher Vielfalt und Nährstoffreichtum, oder weil Verbraucher sich vom Äußeren der Früchte leiten lassen – und sie haben oft damit zu kämpfen, dass sie als krankheitsanfällig und wenig ertragreich gelten.

Nicht zuletzt der gegenwärtige Bio-Boom bringt wie nebenbei auch die alten Sorten wieder ins Angebot, die bereits zu Großmutters Zeiten auf Feldern und in Gärten kultiviert wurden. Neben dem Reiz des – scheinbar – Neuen oder einem gewissen Retro-Schick: Alte Sorten haben oft auch einige ganz handfeste Vorteile:

Viele von ihnen sind aromatischer und nährstoffreicher als die neuen Varianten, und sie wirken häufig auch weniger allergieauslösend. Und mit ihnen kommen eine Vielfalt und ein Abwechslungsreichtum zurück, die in Zeiten der industriellen Lebensmittelherstellung nicht mehr selbstverständlich sind. Für diese besonderen Geschmackserlebnisse lohnt es sich auch, einen kleinen Umweg auf den Wochenmarkt oder in den Bioladen zu machen.